Große Sorge vor Aus für die EJS – Entscheidung des GEP für Mittwoch (16.3.22) erwartet

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Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Putins Armee gegen die Ukraine, die Belagerung ukrainischer Städte wie Odessa, Mariupol und Kiew, die Terrorangriffe auf die Zivilbevölkerung, die Zerstörung von Infrastruktur und die Flucht von mehr als anderthalb Millionen Menschen lösen Schockwellen in Europa aus.
Fast im Minutentakt erlebt man die Zunahme von Repressionen gegen Oppositionelle in Russland und Belarus, gegen normale Bürger:innen und selbst Kinder. Das neue Zensurgesetz der russischen Regierung macht eine freie Berichterstattung so gut wie unmöglich. Die faktische Kriminalisierung journalistischer Arbeit, die massive Einschüchterung von Journalist:innen und Drangsalierung selbst von Auslandskorrespondent:innen führen dazu, dass viele von ihnen das Land verlassen, ganze Redaktionen schließen oder ihre Arbeit in Russland auf unbestimmte Zeit aussetzen.
Einmal mehr wird deutlich, welche Bedeutung der digitale Medienwandel in diesem Konflikt hat. Selfies von Krieg und Flucht hatten spätestens seit dem Krieg in Syrien die Berichterstattung von Journalist:innen grundlegend verändert. Die preisgekrönte Dokumentation „My Escape“ zeigt dies anhand der Fluchtgeschichten von Menschen mithilfe ihrer selbstgedrehten Videos, das Folgeprojekt war „The War on my phone“. Zum Produktionsteam gehörte übrigens die EJS-Alumna Sophie Elmenthaler.
Die neue Kriegsführung ist digital: Von „New Warfare“ spricht folgerichtig Mikhailo Fedorov, Ukraines Minister für digitale Transformation. Weltweit arbeiten zivile IT-Hacker daran, die Verbreitung russischer Propaganda zu verhindern, koordiniert über einen Telegram-Kanal des Ministers. Der Unternehmer Elon Musk sendet Satellitensysteme in die Ukraine, um die Kommunikationsstruktur zu sichern. Russland schränkt soziale Netzwerke wie Twitter und Instagram ein, denn hier informiert sich gerade die jüngere Generation über das, was in der Ukraine wirklich passiert – wie zum Beipiel auf Tiktok als Follower von Valeria Shashenok aus dem zerstörten Tschernihiw. Die „Generation Staatsfernsehen“ erreichen solche Bilder kaum.
Unterdessen durchsuchen Angehörige von OMON, der berüchtigten Einheit des russischen Innenministeriums, an mehreren Orten die Räume der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, und entwenden Ordner und Computer. Die Frage nach der Sicherung sensibler Daten und die nach der Möglichkeit von Kommunikation stellt sich für Bürgerrechtler:innen und Journalist:innen gleichermaßen.
Für uns an der EJS macht nichts deutlicher, wie unerlässlich gründlicher und mutiger Journalismus und die Recherche nach Wahrheit für den Frieden, für Demokratie und Menschenrechte ist. Und: Wie zentral der Sinn für Menschenwürde für die journalistische Ausbildung ist, und wie grundlegend der digitale Wandel handwerkliches Können und ethische Reflexion braucht.
Dafür haben wir das Konzept „EJS 4.0“ entwickelt (wir berichteten hier und hier). Dieses will neben der reformierten grundständigen Ausbildung den Bereich der Fort- und Weiterbildung deutlich ausbauen, und zwar mit einem dezidierten Schwerpunkt in digitalen Kompetenzen. Diese soll neben Journalist:innen auch gezielt Mitarbeitende in Kirche und Diakonie, in NPOs und NGOs und anderen Bereichen engagierter Zivilgesellschaft ansprechen.
Themen für Workshops, die – bezogen auf die aktuellen Ereignisse in Osteuropa – beispielsweise für Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen attraktiv sein könnten, wären „Datensicherheit und -sicherung in autoritären Regimen“, „Risiken für Fixer und Stringer in Krisenregionen vermeiden“, „Telegram: Kanal für Querdenker oder die demokratischer Öffentlichkeit in autoritären Regimen?“, „Microtargeting: zwischen der Erschließung neuer Zielgruppen und politischer Manipulation.“ Solche Inhalte sind derzeit in keiner Ausbildung hierzulande zu finden – und dringender benötigt als je zuvor.
Daneben denken wir aber auch an Angebote z.B. im Bereich des Entrepreneurial Journalism, zu Innovation und Start-Ups im Journalismus, zu digitaler Risiko- und Krisenkommunikation in der Öffentlichkeitsarbeit, zu Plattform-Journalismus, zu Trends von Repräsentation und Exklusion in Sozialen Medien, zu den Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Berichterstattung. Standards wie Podcast-Produktion oder Social Media Management gehörten natürlich auch dazu.
Der Bedarf ist da, die Ideen auch, was fehlt ist: Geld. Wie der – schwierige – Stand der Dinge aussieht: Dazu erfahrt Ihr/erfahren Sie in diesem Newsletter mehr.
Wir danken Ihnen und Euch für Ihre/Eure bisherige Unterstützung – und hoffen doch noch auf eine mutige Entscheidung am Mittwoch.